Bericht über den Jazz Flute Beatboxing Workshop mit Dirko Juchem I.Teil
Flute Betboxing.
Eine ganz neue Spieltechnik auf der Flöte, vielleicht 4-5 Jahre alt.
Außerdem gibt es nur eine Handvoll Männer –und die auch nur in Amerika- die sie beherrschen. Umso größer ist die Aufregung, als ich über den Künstler Dirko Juchem im ClarinoPrint lese.
Er hat diese Technik nicht nur drauf, er ist auch der erste, der sie auf einer CD präsentiert. Dass er in Deutschland seit einiger Zeit auch Workshops anbietet, ist mir neu. Ich nehme mit ihm per E-Mail Kontakt auf. Er ist freundlich und hilfsbereit. Nicht nur die Kursanmeldung geht leicht, auch alle Fragen werden schnell beantwortet, wichtige Infos mitgeteilt und als ich ihn nach eine Unterkunftsmöglichkeit frage, bekomme ich nach paar Tagen mehrere Vorschläge samt Preise und die passenden Internetseiten dazu. Bei 7 Stunden Fahrt würde sich nur 1 Tag Workshop fast nicht auszahlen. Daher erkundige ich mich, ob ich auch an dem 2. Tag bleiben kann. Auch kein Problem. Nachdem ich nicht die einzige bin, die sich dafür interessiert, wird für den 2. Tag statt reine Wiederholung ein extra Stoff zusammengestellt.
Über den ersten Tag:
Der Kurs startet um 10:00h –in einer sehr menschlichen Uhrzeit- man kann aber ab 09:30h in die Schule rein. Als ich die Tür aufmache erkenne ich Herrn Juchem am Ende eines kleinen Raumes gleich. Er unterhält sich rege mit zwei Flötisten. Als er mich bemerkt grüßt er fröhlich mit einem „Herzlich Willkommen!“ und „Es freut mich Dich endlich kennen zu lernen.“ Der geplante Raum ist zugeschlossen, so wird es im kleinen Erdgeschoß Zimmer immer enger und enger. Die anderen Teilnehmer sind alle gelassen, fröhlich und sehr freundlich. Niemand stresst mit hektischem Einspielen, Töne aushalten und mit Fragen wie „Was für eine Flöte hast Du? Wie viel hat es gekostet? -und Wer ist Dein Professor?“ Die Stimmung ist familiär und um Punkt 10:00h geht es los!
Herr Juchem spielt uns –als Einspiel Übung!- sein „Blues Box“ vor, die wir alle schon von seiner CD kennen. Dann erzählt er ein bisschen über diese Technik und nennt uns die wichtigsten Vertreter wie Greg Pattillo, Tim Barsky und Nathan Lee. Eine sehr interessante Bemerkung seinerseits, dass Flute Beatboxing ausschließlich durch Youtube bekannt geworden ist. Nicht nur die oben genannten Künstler, aber auch Herr Juchem selbst hat durch die Seite Aufmerksamkeit gewonnen! (Also einfach sein Namen eintippen und lauschen ) Unsere Gruppe ist gemischt mit Hobby Flötisten und (klassischen) Profis, aber nicht einmal das bereitet uns Probleme. Herr Juchem strengt sich auch nicht an einen wunderschönen Ton hinzubekommen. Er ist ja ein Jazzer, und da geht es mehr um Individualität. So ist es auch beim Flute Beatboxing. Gott sei Dank! –da wir bei den ersten Übungen alle spucken und schlucken und lachen und kriegen erst gar keinen Ton mehr raus. Ich bin wieder einmal sehr glücklich eine klassische UND eine Jazz Ausbildung zu haben, weil bei diesem Kurs ich von beiden Bereichen sehr viel brauchen kann.
Wir versuchen uns vorzustellen Kongas und Bongos zu spielen. Dazu spielt Herr Juchem uns vor wie das z.B. klingen kann. Selbstverständlich singend, klatschen und mit Beatboxing ohne Flöte. Er ermutigt uns Al Jarreau beim singen zuzusehen, eine Parade Beispiel wie Musiker Micro Timing verwenden. Wir werden auch ermutigt frei und kreativ zu sein indem wir die wichtigsten Betonungen behalten und den Rest beliebig ausfüllen. Ein bisschen behindert uns die strenge klassische Ausbildung. Viele von uns wollen alles genau verstehen, alle Rhythmen und Noten ganz genau wiedergeben, und als Herr Juchem das zweite Mal einen anderen Rhythmus spielt, horchen wir auf. „Sie haben doch einen Fehler gemacht!“ Er nimmt es aber nicht übel und schmunzelt nur unter seine Nase. Als reine klassische MusikerIn ist ja auch schwer die Möglichkeit auf Freiheit und Spontaneität eines Jazzers zu verstehen. Eine Luxus die in solchen Fällen erst mal gelernt werden muss. Trotzdem. Langsam hört man neben dem herum spucken auch mal Base Drum und Snare! Wir erarbeiten das Stück „Blues Box“.
Wir reden über Atemtechnik, Doppelzunge, Bobby MacFerrin und Barbeque. Wir lernen den Unterschied zwischen Pattillo Style und Dirko Style, womit uns gleich zwei Möglichkeiten gezeigt werden wie man mit der Flöte Beatboxing spielen kann. Jede/r ist aber ermutigt seinen/ihren eigenen Stil zu finden und zu entwickeln. Die Technik ist so neu, dass es noch gar keine Regeln und Unterrichtsmethoden gibt. Es gibt kein „Falsch“, jede Art vom Spielen ist richtig. Das ist beruhigend. Miles Davis schien doch Recht zu haben, als er gesagt hat: “Hab keine Angst vor den Fehler, weil sie nicht gibt.“
Beim Improvisieren merken wir aber schnell, dass –natürlich- nicht jeder Ton in das jeweilige Stück passt. So bekommen wir gleich kleine Tippst wie wir aus der Schlamassel raus kommen können, falls ein unpassender Ton sich doch in unser Solo rein schleicht.
In der Mittagspause stürmen wir in das türkische Büffet, das sich unweit von der Musikschule befindet. Herr Juchem war so nett dort das Essen vor paar Tagen ausprobiert zu haben, und hat den Wirten vorgewarnt. So führt er uns mit ruhigem Gewissen rein. Das junge Pärchen das uns bedient scheint aber von unserem Kommen nichts gewusst zu haben und ist sichtlich überfordert. Wir nehmen es locker und setzten uns einfach hin. Bald taucht die Besitzerin auf und blitzschnell kriegen wir unseren Kaffee, einen wirklich guten Kaffee. Am Ende können wir das Büffet doch zufrieden, mit vollem Bauch verlassen. In diesem Zustand tun wir uns alle schwer das rhythmische Muster beim Beatboxing zu halten, und lassen immer wieder einige Sechzehntel und Achtel raus. Herr Juchem nimmt auch diese Situation mit Humor. Wir haben grundsätzlich sehr viel Spaß und so geht dann auch die Zeit ganz schnell vorbei.
Wir haben das Lied vollständig durch. Wir haben es geschafft in die Flöte zu beatboxen, Melodie zu spielen, dann sogar beides gleichzeitig, und zu improvisieren. Wir haben die Technik „Humming“ (in die Flöte zu singen), Rahsaan Roland Kirk (meinen absoluten Liebling Flötisten), Herbie Mann (unter diesem Link hören Sie die „Memphis Underground“ von Herbie Mann in der Version von Dirko Juchem-die Originale ist urheberrechtlich geschützt und wurde leider von Youtube entfernt) und Jeremy Steig kennen gelernt.
Jetzt heißt es für uns 3 die auch morgen bleiben, im Hotelzimmer herum zu grübeln, auszuprobieren, und sehr gespannt darauf zu warten, was wir noch alles am nächsten Tag lernen werden.
Dirko Juchem
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